Abschlussbericht der JAGD & NATUR-Leserreise nach Namibia

Namibia - eine Jagdreise zum Mitkommen

Bericht von KARL LÜÖND (Jagd&Natur 7/2004)

Jäger, die gerne reisen, kennen das Problem: Begleitpersonen langweilen sich meist; Mitkommen ist entsprechend mühsam. Pirsch- und Ansitzjagd ist eine einsame Angelegenheit. Und wer mag schon den ganzen Tag in russischen oder ungarischen Unterkünften verbringen? Namibia ist eine Alternative. Hier nimmt jede Begleitperson an der kompletten, erlebnisreichen Jagd teil.

Der Strauss bewacht den Hof und heisst Franz Josef. Im Ernst: Puvogels sind lustige Leute!

Ingrid und Dieter Puvogel, Farmer mit deutschem Pass, bewirtschaften die Farm «Franken» im Katemba-Gebirge, im Norden Namibias. Sechs Stunden hat die Fahrt vom Flughafen Windhoek in ihr felsiges Revier gedauert. Dass es sich gelohnt hat, zeigt sich am nächsten Morgen. Nach dem Einschiessen der Waffen begegnet uns ein kapitaler Kudu, aber wir pardonnieren ihn. In der ersten halben Stunde schon auf eine unbekannte Wildart schiessen? Dieter Puvogel, wortkarg und aufmerksam, akzeptiert den Entscheid lächelnd.

Wir sind auf 1100 m über Meer, im Mai ist hier Frühwinter: angenehme Temperaturen bis 25 Grad, abends. Am Morgen ist es empfindlich kühl. Ab zehn Uhr kündigt aufkommender Wind die Ruhezeit des Wildes an. Die Felsentürme, die kleine Hügel bilden, sehen aus wie eine urweltliche Ausstellung von modernen Plastiken; Henry Moore und Brancusi fallen einem ein. Doch die rundgeschliffenen Felskegel sind übriggeblieben, nachdem der Wind die meterhohe Sandschicht weggeblasen hat. In der besonnten Landschaft stehen rätselhafte Monumente, die aussehen wie die Kuppen arabischer Städte auf blauen Hügeln.

Nachmittags neue Pirschfahrt: Wir erklimmen einen dieser Hügel und spiegeln die Landschaft ab. Da - ein Hartebeest im Lager, etwa einen Kilometer entfernt. Wir brechen querfeldein auf und umschlagen den ruhenden Bullen sorgfältig gegen den Wind. Voran geht Benny, der schwarze Fährtenleser, ein flinker Bursche in Khaki-Uniform mit dem Klettertempo einer Bündner Gämse. «Nachkommen,» bedeutet seine Geste.

Ich steige, oben lauert Benny. Blick nach unten - dort ist der Bulle: kaum 100 m entfernt, aufmerksam äugend. Sieht er uns? Anscheinend nicht. Ich bleibe unbeweglich wie vor dem brunftigen Rehbock, dann gehe ich unendlich langsam in die Liege. Über eine schwarz glänzende, schiefe Granitplatte visiere ich den Bullen an. Dieter pfeift durch die Finger.

Der Bulle erhebt sich, steht günstig. Dann spricht die 7x64. Im ZF kann ich das Schusszeichen nicht sehen, aber Dieter meldet: «Guter Schuss, du hast ihn!» Sieht aber gar nicht so aus, zunächst. Scheinbar teilnahmslos zieht der Bulle davon, zwanzig, dreissig Meter. Dann taumelt er leicht - und hinter den Latschen sieht man im nächsten Augenblick die Schlegel fliegen. Geperlter Lungenschweiss, kein Ausschuss. Der Bulle muss ein alter Kämpfer gewesen sein. Am rechten Hinterlauf hat er einen verheilten Bruch, am Kinn eine Schnittwunde. Ein Lauscher ist perforiert.

Zwölfjährig, schätzt Dieter!

Kurz nach sieben Uhr früh ist eigentlich zu spät. Christian aus dem Bernbiet ist heute dran. Kudu oder Oryx? Vier Begegnungen mit scheuen Kudus verlaufen ergebnislos. Kaum nähert sich unser betagter Toyota-Landcruiser, ergreifen die Oryx die Flucht. Nur eine Giraffe behält die Nerven. Einmal versuchen wir einen Kudu zu umgehen und klettern zwanzig Minuten durch die Felsen, aber schliesslich verraten uns schreiend die Paviane.

Am Nachmittag versuchts Christian noch mindestens ein halbes Dutzend Mal, aber immer gewinnen die Kudus. An der Wasserstelle sind Leopardenspuren. Experiment im Rutengehen, mit einer Astgabel vom allgegenwärtigen Mopane-Baum. Dieter und Edi, unser nicht jagender Begleiter, erweisen sich als talentierte Rutengänger. Genau über der bekannten Wasserader neigt sich der Ast unwiderstehlich abwärts. Der Nachmittag bringt noch eine Zebra-Familie: zu jung, zu hektisch.

Der frühe Aufbruch am nächsten Morgen lohnt sich. An einer bergwärts führenden Piste ist Dieter wie elektrisiert. Oben steht ein Kudu-Bulle. Christian schiesst ihn in den Träger. Der Kudu fällt, wie vom Blitz getroffen, aber Dieter mahnt zur Vorsicht. Er kennt sich aus mit Krellschüssen. Ein schneller Fangschuss beendet das Leben des Riesen. Später, in der Ebene, finden wir ein Kudu-Brunftrudel Der abgeschlagene jüngere Bulle quert mit den Kühen die Schneise. In den Augenwinkeln sehe ich: Da muss noch der Grosse kommen - und er kommt. Mein Schuss, im langsamen Ziehen abgegeben, sitzt eine Spur zu tief, stoppt ihn aber kurz. Dann bricht der Bulle mit letzter Kraft noch durch einen Zaun, verhofft aber wieder und lässt Zeit für den erlösenden Fangschuss. Zwei alte Kudus am gleichen Morgen - welch ein Weidmannsheil!

Anblick gibt es in diesem Land mehr als man verarbeiten kann. Unvergesslich die zwei an einem Weidezaun kämpfenden Impalas, getrennt durch die Drähte und dennoch unerbittlich immer wieder angreifend. Nach drei Tagen im gastfreundlichen und blitzsauberen Franken - mit einer Küche, die keine Wünsche offen lässt - folgt der touristische Teil der Reise: Dislokation zur Jagdfarm Otjiwa durch das gewaltige Naturschutzgebiet der Etosha-Pfanne. Sie ist mehr als halb so gross wie die Schweiz und beherbergt einen gewaltigen Reichtum an wilden Tieren. Die Regeln sind einfach: Zutritt von Sonnenauf- bis -untergang, Verlassen des Autos streng verboten, Aufenthalte in den befestigten Siedlungen, etwa im kleinen Dorf, das den sinnigen Namen «Halali» trägt. Auf Schritt und Tritt die Spuren der deutschen Kolonisation der Nach-Bismarck- und Kaiser-Wilhelm-Zeit. An den Wasserlöchern sammeln sich zu Dutzenden die Impalas und Springböcke, die Zebras, Gnus, Oryx, Kudus, Hartebeests, die Warzenschweine, aber auch die Elefanten. Angenehm ist der Aufenthalt in der feudalen Mokuti-Lodge unmittelbar beim Park.

Am nächsten Abend sind wir in der Provinzstadt Otjiwarongo, wo wir einen fast industriell tätigen Präparator besuchen - und nach 40 Kilometern endlich auf der Jagdfarm Otjiwa, wo Elke und Peter Reinhardt mit ihren drei munteren Kindern bereit stehen - eine junge Südwester Familie mitten im flachen Savannenland. Die Woche verbringen die Kinder im Schulinternat.

Am nächsten Morgen wären Handschuhe und Thermowäsche willkommen, aber wer kommt schon auf die Idee, dass es in Afrika so empfindlich kalt sein könnte? Die Savanne ist voll mit Hakendornbüschen. Die härteren davon können Autopneus durchstechen. William, der freundliche Fahrer und Spurenleser vom Stamme der Ovambo, räumt immer wieder Dornbüsche aus dem Weg. Christian schiesst frühmorgens einen Schakal. Mittags Ansitz an einem verlandenden Teich - das beste Fernsehprogramm seit Wochen: Familie Kudu geht zur Tränke (aber Papa ist «z'jung zum...») Immer wieder Rotten von Warzenschweinen, aber Peter bleibt unerbittlich: «Winzig» seien die, und «viel zu jung» .

Ich möchte ein Oryx-Rind mit abnormer Hornverletzung schiessen, das von der Herde abgeschlagen wird, erhalte aber keine Freigabe: Der Export zu geringer Trophäen ist verboten. Namibia achtet auf seinen Ruf - und die Werbung für ein Jagdland findet halt bei den meisten Leuten immer noch vor der Trophäenwand statt.

Die Abendpirsch: William sperbert. Shiraka, die zweijährige Hannoversche Schweisshündin, steht auch auf dem fahrenden Auto zuverlässig vor. Zischend plötzlich Peters Befehl: absteigen! Geduckt schleichen wir von Busch zu Busch. Ich habe den Oryx-Bullen noch nicht gesehen. Wir pirschen einige hundert Meter durchs hohe Steppengras. William steht still. Der Bulle! Richtig, links, unter dem Hakendorn. Noch deckt ihn der Busch. Zweibein aufgestellt, Pfiff. Da steht er, breit und frei. Ich brauche kein Kommando. Die Kugel trifft ihn hochblatt. 20 Jahre. Hochkapital, schon zurückgesetzt. Freude herrscht.

Jeder Tag bringt eine Fülle von jagdlichen Erfahrungen und Erlebnissen in einer Intensität, die man weder erwartet hat noch sich vorstellen kann. Frühmorgens trifft Christian seinen hoch kapitalen Oryx aufs Blatt. Aber der tapfere Kerl flieht noch über 800 Meter. Shiraka arbeitet die Fährte einwandfrei aus, dabei gibt es kaum Schweiss. Herr und Hund sind gleich geübte Fährtenleser. Unglaublich schusshart, dieses Wild, dabei lag der Treffer perfekt!

Am Wildschwein-See sind wieder vierzig Warzenschweine zugange, spielend, streitend, und - obwohl nicht Rauschzeit - treibend. Christian schiesst einen guten alten Keiler auf 160 Meter. Er liegt nach vierzig Gängen. Honigdachse sehen wir; eine Herde Säbelantilopen, ein Narshorn gar, und gleich hinterher Feldhasen (winzige Ausgaben unseres Modells...), und mindestens vier Mal das gleiche Hartebeest mit der denkwürdigen Horn-Deformation (aber es ist immer klüger als wir). Am Ende lagen 6 Oryx, 3 Kudu, 4 Warzenkeiler, 2 Weißschwanzgnu, 2 Hartebeester, 2 Impala, 2 Springböcke und 1 Blessbock auf der Strecke.

Dieses Land ist ein Wildparadies, zugänglich für fast jedermann, jagdlich jedoch fordernd und spannend. Unsere beiden Begleiter - den einen hats auch noch gepackt, auch er bekam seinen Kudu - kamen bestens auf ihre Rechnung. Untadelig die Unterkünfte, sogar die Duschen spendeten warmes Wasser! Die Kompetenz der Jagdführer, ihre Weidgerechtigkeit und die Herzlichkeit an den abendlichen Tafelrunden - das alles ist von einem Erlebniswert, der weit über den Standard einer gewöhnlichen Jagdreise hinaus geht. Wer es versteht, diese Expedition mit einer Erkundung Südafrikas abzurunden (z.B. mit einer Woche im unweit gelegenen Kapstadt) erlebt so etwas wie die Jagdreise seines Lebens - zu durchaus fairen Preisen, in einer Qualität und einer Sicherheit von internationaler Klasse.

Wiederholung möglich!

Unser Partner Bavetia Jagdreisen Greifensee (www.bavetia.ch) führt die beschriebene Rundreise (2x3 Jagdtage auf zwei verschiedenen Farmen, Verhältnis 2:1, Begleiter zu reduzierten Preisen willkommen) auch nächstes Jahr wieder durch. Unvergesslich sind auch für nicht Jagende die ganztägige Fahrt durch die Etosha-Pfanne und der Aufenthalt in der sehr komfortablen Mokuti-Lodge. Unsere Gäste zahlten (Jäger, mit 1 Oryx-Abschuss) Fr. 5990.-; Begleitpersonen Fr. 3790.- (einschliesslich Flug ab Zürich, volle Verpflegung, exkl. Trinkgelder, Waffenpräparation, Trophäentransport usw.) Die Abschüsse kosten - mit wenigen Ausnahmen - zwischen 300 und 700 Euro ohne Rücksicht auf die Trophäenstärke.

Zwanzigmal die Schweiz...

Namibia umfasst annähernd die zwanzigfache Fläche der Schweiz, hat aber nur 1,8 Millionen Einwohner. Schnurgerade, kilometerlange Asphaltpisten sind das Kennzeichen des ehemaligen Deutsch-Südwestafrika. Auf Schritt und Tritt begegnet man der kolonialen Vergangenheit, was sich auch in Komfort und Ordnung ausdrückt. Namibia ist eins der tierreichsten Länder Afrikas. Im Etosha-Nationalpark sind allein etwa 130 Säugetierarten nachgewiesen. In Namibia kommen 620 der 887 in Afrika registrierten Vogelarten vor. Hauptstadt des Landes ist Windhoek (Direktflüge ab Frankfurt und München; Swiss fliegt nach Johannesburg, von dort knapp zwei Stunden mit British Airwys nach Windhoek - die Reise ist, den ziemlich unangenehmen Aufenthalt in Johannesburg eingerechnet, recht strapaziös. Achtung vor Taschendieben im Flughafen Johannesburg!).

Unbedingt mitnehmen:

Frühwinter (April - Juni) ist die günstigste Jagd- und Reisezeit, weil klimatisch gemässigt und wegen wenig Laub sehr sichtig. Handschuhe und Thermowäsche sind kein Luxus - Afrika hin oder her! Feldstecher (8 x) und Teleobjektiv auf der Kamera (ab 400 mm) sind optimal, ein Teleskop-Stock ist nützlich. Es braucht leichte, aber risthohe Wanderschuhe und einen Pulli sowie warmes Zeug, das man nach dem Zwiebelschalenprinzip an- und ausziehen kann. Gold wert war die winzige, aber lichtstarke Taschenlampe am Schlüsselbund. Handy-Empfang in der Nähe von Siedlungen problemlos, auf den Farmen aus dagegen nur punktuell möglich. Festnetzanschlüsse müssen genügen; Internet ist nicht überall verbreitet - aber wer braucht das schon, bei diesem (Wild-)Live-Programm!

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